21. Dezember 2011
Ethik des Finanzmarktes

Ulrich Thielemann
Kategorie: Kapital

Die unverstandene Rolle des Kapitals als angeblicher „Diener der Realwirtschaft“

 

Soeben fertiggestellt: Die Ausarbeitung meines Vortrages am Finanzethik-Kongress 2011, der für den Tagungsband vorgesehen ist. Ich stelle ihn hier vorab zur Verfügung.

Im Beitrag weise ich die von praktisch allen ökonomischen Experten mindestens implizit vertretene These zurück, dass die Weltfinanzkrise, die sich heute in der sog. Euro- und Staatsschuldenkrise manifestiert, darauf zurückzuführen sei, dass das Kapital in "Spekulationsgeschäften" "verschwendet" wurde und es stattdessen darauf ankomme, es wieder als "Diener der Realwirtschaft" zu installieren.

Das Kapital als "Diener der Realwirtschaft" zu begreifen ist Ausdruck naiver Kapitalmarktgläubigkeit. Wir müssen das Betriebsgeheimnis des wettbewerblichen Marktes und des Kapitals, welches dieses in ihm spielt, entschlüsseln. Dieser ist nämlich ein Prozess "schöpferischer Zerstörung", der uns zum Wachstum antreibt. Das Kapital bildet darin eine Art unsichtbar wirkende "Peitsche" für die realwirtschaftlichen Akteure, d.h. der Beschäftigten. Wir haben einfach zu viel dieser "Peitschen"-wirkungen, was sich in der Ökonomisierung der Lebensverhältnisse und in wachsenden Einkommensdisparitäten niederschlägt.

Politische Würde, so behaupte ich, erlangen wir als ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen erst dann zurück, wenn wir diese Zusammenhänge durchschauen. Dann erkennen wir, dass die "Hofierung" des Kapitals (Hans-Werner Sinn) ein Holzweg ist und es stattdessen darauf ankommt, das Kapital zu bändigen, was nur weltinnenpolitisch gelingen kann.

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Englisch hier.