29. August 2011
»Wer arbeitet, muss auch mehr in der Tasche haben.«

Ulrich Thielemann
Kategorie: Fairness

Die Berliner FDP möchte sicherstellen,»dass man mit Arbeit besser verdient als ohne«. Das klingt plausibel, denn ansonsten gebe es ja »anstrengungslosen Wohlstand«, was nichts anderes als »spätrömische Dekadenz« bedeute.

Doch warum sagt sie nicht gleich, dass sie den sozialstaatlich gewährten Reservationslohn weiter senken möchte? Denn genau dann kann man ja sicher sein, dass die Löhne, die zunehmend Niedriglöhne sind, doch noch etwas höher ausfallen als das Transfereinkommen. Und wenn die Marktmachtverhältnisse, der die »liberale« Partei ja zur noch »freieren« Entfaltung verhelfen möchte, die Löhne noch weiter sinken lassen, dann gilt es sicherzustellen, dass statt (angeblich) »immer mehr« immer weniger »Leistungen an Transferempfänger ausgeschüttet« werden. Denn nur dann gilt ja, dass der, der »arbeitet, … auch mehr in der Tasche« hat als derjenige, der nicht oder nicht mehr (erwerbs-)arbeitet, da er entlassen wurde. Auch wenn das, was man dann »in der Tasche« hat, von fairer Teilhabe kilometerweit entfernt ist.

Das FDP-Programm läuft also auf eine Spirale der Armutserzeugung hinaus: Die Senkung des sozialstaatlichen Reservationslohnes erlaubt die Senkung der Löhne durch die Marktmachtverhältnisse, denn dann ist man ja gezwungen, jede noch so unwürdige Arbeit anzunehmen, solange diese auch nur leicht über dem möglichst schmerzhaft tiefen Niveau von Hartz IV vergütet wird. (Dabei ist allerdings unklar, wer die Arbeitsleistungen dann noch kaufen können soll, jedenfalls im Inland, da die Durchschnittsbürger ja immer ärmer werden und damit als Abnehmer immer mehr ausfallen.) Und da die Niedriglöhne oder – im Falle der Entlassung – die Nulllöhne ja stets ein Zeichen dafür sind, dass die Transferzahlungen zu hoch bemessen sind (»Lohnabstandsgebot«), werden diese weiter gesenkt, usw. usf.

Nur gut, dass die Wähler in ihrer überwiegenden Mehrheit den ökonomistischen Populismus einer Partei, die seit geraumer Zeit Liberalismus mit der »freien« Entfaltung der Marktmächte verwechselt, durchschaut haben.